Dienstag, 19. April 2011

Sorbisch als Knackpunkt bei der Schulwahl

Auch der Grundschule Guttau (Hućina) soll es nach den Plänen des Kultusministeriums im nächsten Schuljahr an den Kragen gehen; in Frage steht die Einrichtung einer neuen ersten Klasse. Mindestens 15 Schüler wären notwendig, und geht man nach den Schulbezirken, gäbe es sogar 18 potenzielle Erstklässer für Guttau. Wo ist also das Problem?

Laut SZ vom 19. April ist der Knackpunkt, dass sechs der Schüler den Malschwitzer Witaj-Kindergarten besucht haben und nun gerne weiter Sorbisch lernen möchten. Das allerdings ist in Guttau - einem Ort, der noch vor 50 Jahren mehrheitlich sorbisch war - nicht möglich. Daher wollen die betroffenen Eltern ihre Kinder lieber nach Baruth (Bart) - wo es ein Sorbisch-Projekt gibt - oder gleich an die Sorbische Grundschule Bautzen schicken. Dazu der Guttauer Bürgermeister Andreas Skomudek: "Mit dem Angebot des Sorbisch-Projektes in Baruth sind die Schulbezirke, die wir einst festlegten, aus den Fugen geraten." Wer ist also schuld, das Sorbische? Offenbar. Der Guttauer Gemeinderat und CDU-Ortsvorsitzende René Stenzel denkt derweile schon in die richtige Richtung. Er will sich mit Lehrern, Eltern und potenziellen Schülern an einen Tisch setzen und meint, auch Guttau müsse sich Gedanken darüber machen, das Sorbische anzubieten.

Es geht schon wieder los... Droht die nächste Schulschließung?

Mit seiner Entscheidung, an der Sorbischen Mittelschule Ralbitz zum nächsten Schuljahr keine 7. Klasse mehr zuzulassen, hat das sächsische Kultusmininisterium in der Lausitz für Empörung und Unverständnis gesorgt. Kultusminister Wöller hatte noch wenige Wochen zuvor großspurig verkündet, das sorbische Schulnetz sei sicher.

In den vergangenen Jahren wurden in den ländlichen Gebieten der Lausitz zahlreiche Mittelschulen geschlossen; die Nichtzulassung einzelner Klassen war dabei oft der Vorbote des endgültigen Endes. Auch das sorbische Schulnetz wurde durch die Spar- und Zentralisierungsmaßnahmen der CDU-geführten Landesregierung in den letzten zwei Jahrzehnten rücksichtslos zurechtgestutzt. Deutschlandweites und internationales Aufsehen erregte der Crostwitzer Schulaufstand von 2001, als sich Eltern und Kinder, unterstützt von sorbischen Intellektuellen und der Kirche, gegen die Aussetzung der fünften Klasse an der dortigen Mittelschule "Jurij Chěžka" wandten und den Unterricht mehr als einen Monat lang in Eigenregie weiterführten. Wöllers Vorgänger Matthias Rößler - heute Landtagspräsident - setzte sich letztendlich jedoch ohne Rücksicht auf die besonderen Ansprüche des sorbischen Schulnetzes durch; 2003 wurde die Mittelschule endgültig geschlossen. Im Jahr 2007 folgte Panschwitz-Kuckau.

Die SMS Ralbitz ist heute eine von nur noch vier verbliebenen Schulen ihrer Art. Traditionell ist die siebte Klasse recht wenig besucht, da viele Kinder erst nach dem Abschluss der Sechsten auf das Gymnasium in Bautzen wechseln, um nicht schon vorher lange Fahrzeiten in Kauf nehmen zu müssen. Für das neue Schuljahr gibt es elf Anmeldungen.

Elf Anmeldungen, das würde in zahlreichen europäischen Ländern - u.a. Rumänien, Ungarn, Tschechien - für eine Klasse an der Schule einer Sprachminderheit ausreichen. In Ländern, die die Europäische Minderheitencharta offenbar ernster nehmen, als es Sachsen tut. Auf den Vorschlag einer Sonderregelung für sorbische Schulen, die den besonderen Bedürfnissen eines kleinen Volkes Rechnung trägt, wollte das sächsische Kultusministerium jedoch schon 2001 nicht eingehen. Ein Grundübel im sorbischen Kontext ist es, dass die selben Leute, die heute und seit 20 Jahren die Zerstörung der Substanz vorantreiben, auch bei den nächsten Wahlen gerade am Klosterwasser - also auch in Ralbitz - wieder Rekordergebnisse einfahren werden.* Der Grund dafür ist falsch verstandener Konservativismus und das heuchlerische "C" im Namen der schwarzen Regierungspartei.

Der Bundesvorstand der Domowina sowie ihr Vorsitzender, der Ralbitzer Dawid Statnik, wandten sich am Wochenende bereits entschieden gegen die Pläne des Ministeriums und forderten deren Rücknahme. Statnik wies zugleich darauf hin, dass eine weitere Ausdünnung der sorbischen Schullandschaft auch das - von den Dresdner Politikern so gerne vorgezeigte - WITAJ-Programm bedrohe, welches nur sinnvoll und attraktiv ist, wenn eine sorbische Ausbildung über die gesamte Schulzeit gewährleistet ist. Der sorbische Landtagsabgeordnete der Linken, Heiko Kosel, nannte Minister Wöller einen "politischen Hochstapler" und sprach von einer "Frechheit".

Die Schließung einer Schule im ländlichen Raum ist immer ein Verlust für den betroffenen Ort und seine Einwohner. Dörfer verlieren an Attraktivität, Kinder müssen längere Schulwege auf sich nehmen, zentralisierte Bildung ist unpersönlicher. Geht es jedoch um die Existenz eines Viertels des Bestandes an Mittelschulen, die einem Volk zur Verfügung stehen, ist es unerträglich, mit wirtschaftlichen "Argumenten" abgespeist zu werden. Jeder noch so kleine Abbau auf diesem Feld ist eine Katastrophe und vollkommen inakzeptabel. Bleibt zu wünschen, dass das laut und deutlich gesagt wird.


* Das sollten wir durchaus differenzierter betrachten. In Crostwitz "stürzte" die CDU bei den Landtagswahlen 2004 - den ersten nach Schulstreik und -schließung - von sagenhaften 82,4 % (1999) auf "nur" noch 49,5 % ab und verlor die Hälfte ihrer Wähler. Das hätte natürlich ein Anfang sein können. Ganz falsche Signale sendete man stattdessen 2009: In allen fünf Gemeinden am Klosterwasser kam die CDU auf über 70 % - auch in Crostwitz - und fuhr damit ihre landesweit besten Ergebnisse hier ein. Was sagt uns das? Die Landesregierung weiß ziemlich genau, dass sie alles machen kann, was sie will. Mit Verlaub: Die Leute sind so doof - und das durchaus nicht nur und nicht besonders am Klosterwasser - dass sie es nach spätestens fünf Jahren vergessen haben, solange man ihnen nur das Gefühl gibt, sie seien wichtig. Und tatsächlich scheint es der "Tillich-Bonus" gewesen zu sein, der das Ruder 2009 wieder herumgerissen hat. Nun ja...

Freitag, 1. April 2011

Crostwitz bleibt vorerst eigenständig - und sorbisch

Am gestrigen Mittwoch hat sich der Crostwitzer Gemeinderat auf seiner Sitzung nach mehrstündiger Beratung vorerst von den Fusionsplänen mit Panschwitz-Kuckau verabschiedet. Ein wichtiger Grund für die überraschende Entscheidung war die Uneinigkeit über den Sprachgebrauch in der neuen Gemeinde. Eine "Deutsch-sorbische Bürgerinitiative" hatte gefordert, dass Gemeinderäte künftig in der Versammlung nicht mehr Sorbisch sprechen sollten, wenn Deutsche anwesend seien. Bürgermeister Maćij Brycka sagte: "Wir könnten es ganz und gar nicht akzeptieren, unsere Sitzungen nun plötzlich auf Deutsch durchführen zu müssen."

Bisher fanden die Sitzungen des Crostwitzer Gemeinderates auf Sorbisch statt. Dabei wird es nun wohl erst einmal bleiben können. Bereits zuvor hatten die beiden Gemeinderäte den Namensvorschlag "Serbski kraj" nach Protesten aus der (deutschsprachigen) Bevölkerung zurückgezogen. In der Gemeinde Crostwitz sind etwa 80 Prozent der Einwohner Sorben, in Panschwitz-Kuckau etwas weniger als 50 Prozent.

Anders als Panschwitz hat die Gemeinde Crostwitz den Zusammenschluss zum jetzigen Zeitpunkt nicht unbedingt nötig. Wie Bürgermeister Brycka sagte, sei der Haushalt verabschiedet; die Gemeinde könne alle ihre Aufgaben auch weiterhin eigenständig erfüllen. Im Nachbarort sieht es da womöglich schlechter aus: Panschwitz-Kuckau hat finanzielle Probleme; gerade deshalb hatte man hier auf die "Hochzeitsprämie" des Freistaats gehofft. Die bleibt nun erstmal aus.