Dienstag, 19. April 2011

Es geht schon wieder los... Droht die nächste Schulschließung?

Mit seiner Entscheidung, an der Sorbischen Mittelschule Ralbitz zum nächsten Schuljahr keine 7. Klasse mehr zuzulassen, hat das sächsische Kultusmininisterium in der Lausitz für Empörung und Unverständnis gesorgt. Kultusminister Wöller hatte noch wenige Wochen zuvor großspurig verkündet, das sorbische Schulnetz sei sicher.

In den vergangenen Jahren wurden in den ländlichen Gebieten der Lausitz zahlreiche Mittelschulen geschlossen; die Nichtzulassung einzelner Klassen war dabei oft der Vorbote des endgültigen Endes. Auch das sorbische Schulnetz wurde durch die Spar- und Zentralisierungsmaßnahmen der CDU-geführten Landesregierung in den letzten zwei Jahrzehnten rücksichtslos zurechtgestutzt. Deutschlandweites und internationales Aufsehen erregte der Crostwitzer Schulaufstand von 2001, als sich Eltern und Kinder, unterstützt von sorbischen Intellektuellen und der Kirche, gegen die Aussetzung der fünften Klasse an der dortigen Mittelschule "Jurij Chěžka" wandten und den Unterricht mehr als einen Monat lang in Eigenregie weiterführten. Wöllers Vorgänger Matthias Rößler - heute Landtagspräsident - setzte sich letztendlich jedoch ohne Rücksicht auf die besonderen Ansprüche des sorbischen Schulnetzes durch; 2003 wurde die Mittelschule endgültig geschlossen. Im Jahr 2007 folgte Panschwitz-Kuckau.

Die SMS Ralbitz ist heute eine von nur noch vier verbliebenen Schulen ihrer Art. Traditionell ist die siebte Klasse recht wenig besucht, da viele Kinder erst nach dem Abschluss der Sechsten auf das Gymnasium in Bautzen wechseln, um nicht schon vorher lange Fahrzeiten in Kauf nehmen zu müssen. Für das neue Schuljahr gibt es elf Anmeldungen.

Elf Anmeldungen, das würde in zahlreichen europäischen Ländern - u.a. Rumänien, Ungarn, Tschechien - für eine Klasse an der Schule einer Sprachminderheit ausreichen. In Ländern, die die Europäische Minderheitencharta offenbar ernster nehmen, als es Sachsen tut. Auf den Vorschlag einer Sonderregelung für sorbische Schulen, die den besonderen Bedürfnissen eines kleinen Volkes Rechnung trägt, wollte das sächsische Kultusministerium jedoch schon 2001 nicht eingehen. Ein Grundübel im sorbischen Kontext ist es, dass die selben Leute, die heute und seit 20 Jahren die Zerstörung der Substanz vorantreiben, auch bei den nächsten Wahlen gerade am Klosterwasser - also auch in Ralbitz - wieder Rekordergebnisse einfahren werden.* Der Grund dafür ist falsch verstandener Konservativismus und das heuchlerische "C" im Namen der schwarzen Regierungspartei.

Der Bundesvorstand der Domowina sowie ihr Vorsitzender, der Ralbitzer Dawid Statnik, wandten sich am Wochenende bereits entschieden gegen die Pläne des Ministeriums und forderten deren Rücknahme. Statnik wies zugleich darauf hin, dass eine weitere Ausdünnung der sorbischen Schullandschaft auch das - von den Dresdner Politikern so gerne vorgezeigte - WITAJ-Programm bedrohe, welches nur sinnvoll und attraktiv ist, wenn eine sorbische Ausbildung über die gesamte Schulzeit gewährleistet ist. Der sorbische Landtagsabgeordnete der Linken, Heiko Kosel, nannte Minister Wöller einen "politischen Hochstapler" und sprach von einer "Frechheit".

Die Schließung einer Schule im ländlichen Raum ist immer ein Verlust für den betroffenen Ort und seine Einwohner. Dörfer verlieren an Attraktivität, Kinder müssen längere Schulwege auf sich nehmen, zentralisierte Bildung ist unpersönlicher. Geht es jedoch um die Existenz eines Viertels des Bestandes an Mittelschulen, die einem Volk zur Verfügung stehen, ist es unerträglich, mit wirtschaftlichen "Argumenten" abgespeist zu werden. Jeder noch so kleine Abbau auf diesem Feld ist eine Katastrophe und vollkommen inakzeptabel. Bleibt zu wünschen, dass das laut und deutlich gesagt wird.


* Das sollten wir durchaus differenzierter betrachten. In Crostwitz "stürzte" die CDU bei den Landtagswahlen 2004 - den ersten nach Schulstreik und -schließung - von sagenhaften 82,4 % (1999) auf "nur" noch 49,5 % ab und verlor die Hälfte ihrer Wähler. Das hätte natürlich ein Anfang sein können. Ganz falsche Signale sendete man stattdessen 2009: In allen fünf Gemeinden am Klosterwasser kam die CDU auf über 70 % - auch in Crostwitz - und fuhr damit ihre landesweit besten Ergebnisse hier ein. Was sagt uns das? Die Landesregierung weiß ziemlich genau, dass sie alles machen kann, was sie will. Mit Verlaub: Die Leute sind so doof - und das durchaus nicht nur und nicht besonders am Klosterwasser - dass sie es nach spätestens fünf Jahren vergessen haben, solange man ihnen nur das Gefühl gibt, sie seien wichtig. Und tatsächlich scheint es der "Tillich-Bonus" gewesen zu sein, der das Ruder 2009 wieder herumgerissen hat. Nun ja...

1 Kommentar:

  1. Das ist mal ein wahres Wort! Vor allem unter dem *! Ich stimme da auch dem Tillich Bonus zu!
    Vielleicht haben sich die Wähler mehr versprochen von dem Hernn Ministerpräsident! Nur kann er meiner Meinung nach auch wenn er einer Minderheit angehört nicht alles "nur" für die Sorben tun!
    Wenn auch noch die Schule am Ende dicht gemacht wird kann man die Sorbische Kultur und Sprache auch langsam weg streichen! Anstatt dass damit in der Regierung ein positiven Vorteil gezogen wird wie es einst in der DDR war. Nein! Muss ja alles zu nichte gemacht werden! Weil solche Paragraphenreiter mal wieder ein Exempel Statuieren wollen! Wieso eigentlich?

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