Sonntag, 20. Februar 2011

Was die Guttenbergs mit den Sorben verbindet - oder auch nicht.

Was verbindet die Guttenbergs mit den Sorben? Eigentlich nicht viel, meint man, außer dass auch in der Lausitz die Emotionen hochkochen, wenn es darum geht, ob unser Verteidigungsminister ein Gedankendieb oder doch das Opfer einer Verschwörung ist. Eine ganz andere Frage stellte sich mir allerdings in diesem Zusammenhang.

Mit dem Verlust der Adelsprivilegien gingen in Deutschland ja vor mittlerweile einem knappen Jahrhundert die Adelstitel verloren. KT heißt zwar trotzdem "Karl Theodor [...] Freiherr von und zu Guttenberg", allerdings ist das "Freiherr von und zu" eben kein Titel, sondern nur ganz normaler Bestandteil des Familiennamens. Den auch seine Stephanie trägt, seitdem sie ihn geheiratet hat.

Stephanie Freiherr von und zu Guttenberg also. Moment! Das wäre ja absurd. Und ist laut Wikipedia auch gar nicht der Fall. Dort wird uns nämlich gesagt, in ihrem Pass stehe selbstverständlich Stephanie Freifrau von und zu Guttenberg. Ein kleiner Unterschied, der ihrer Sache im Kampf gegen Kinderschänder bei bzw. auf RTL2 auch wesentlich zu Gute kommt.

Es ist also scheinbar so, dass wir es hier mit einem Familiennamen zu tun haben, der über eine weibliche und eine männliche Form verfügt, und das selbst, wenn es sich nicht um den eigenen Geburtsnamen handelt. Dabei dachte ich doch immer, das gäbe es in Deutschland gar nicht. Außer bei uns in der Lausitz natürlich. Das verbindet also die Guttenbergs mit den Sorben.

Oha! Da fällt mir plötzlich alles wieder ein: Dass knjeni Šołćina (Frau Schulze), die sich als bewusste Sorbin fühlt und das auch öffentlich zeigen will, dazu verdammt wird, Hańža Šołta zu heißen. Und selbst das nur im Pass. Auf der Kreditkarte ist sie einfach Hanza Solta, also fast schon Hans Schulze. Šołta heißt sie, so wie ihr Mann, ihr Sohn und natürlich auch ihre Tochter, nennen wir sie Lubina, die ihren wahren Namen nur in der Schule geschrieben sieht, nicht jedoch in Geburtsurkunde, Ausweis und anderen persönlichen Dokumenten. Šołćic wärs.

Lubina Šołta - was in sorbischen Ohren gar grausig klingt, ist die ganz normale Konsequenz des deutschen Namensrechts, welches eben für deutsche Namen gemacht ist und somit das in der Europäischen Minderheitencharta verbriefte Recht, den eigenen Namen in der eigenen Sprache führen zu dürfen, ad absurdum führt. Das trifft natürlich nicht nur Sorben, sondern auch Tschechen, Russen und weitere Slawen, die in Deutschland leben.

Was sagt uns diese Geschichte nun? Falls man zur Immernoch-Elite des gewesenen Adels zählt, darf man selbstverständlich seinen Familiennamen geschlechtsspezifisch abändern, um sich nicht lächerlich zu machen. Ist man jedoch Sorbin und muss Šołta heißen, ist das offenbar zuzumuten. Man muss eben die Prioritäten richtig setzen.

Montag, 7. Februar 2011

Milena Vettraino im Tagesspiegel: Viel Fantasie, wenig Wahres dran.

Am Sonntag veröffentlichte der Berliner "Tagesspiegel" einen Bericht über Milena Vettraino (Intendantin SNE) und die Sorben in Bautzen. Zunächst einmal lobenswert, dass sich eine große deutsche Zeitung mal wieder des Themas annimmt, was ja nun so häufig nicht vorkommt. Der Artikel ist allerdings gut gefüllt mit einer ganzen Menge Halb- und auch einigen glatten Unwahrheiten, was die Freude empfindlich trübt. Eine Auswahl:

Tagesspiegel: Sie [die sorbische Volksgruppe] wanderte vor über 1400 Jahren aus Böhmen und Schlesien ein, ihre Sprache behielt sie über die Jahrhunderte bei, ebenso ihre Folklore.

Tatsache: Vor 1400 Jahren stimmt. Allerdings klingt es hier so, als seien die Vorfahren der Sorben zuvor in Böhmen und Schlesien heimisch gewesen. Das war nach dem Stand der Forschung nicht der Fall. Richtig ist, dass sie über Böhmen und Schlesien aus dem Osten und Süden einwanderten.

Tagesspiegel: Die politische Bedeutung der westslawischen Volksgruppe ist groß. [...] Nur kulturell wird die Volksgruppe kaum wahrgenommen.

Tatsache: Dem kann man kaum zustimmen. Wenn die Sorben von Nicht-Sorben überhaupt wahrgenommen werden, dann wohl meistens über die Folklore. Osterreiten, Ostereier, Vogelhochzeit, Trachten usw.; das sind die Dinge, die wohl die meisten als erstes nennen würden. Über Sprache und Geschichte wissen dann schon deutlich weniger Bescheid und das die politische Bedeutung "groß" wäre, widerlegt sich von selbst, wenn man sich Ereignisse wie den Streit um die Crostwitzer Mittelschule oder das ständige Gezerre um die Förderhöhe für die Stiftung ansieht.

Tagesspiegel: Es gibt zweisprachige Straßennamen und Behördendokumente in doppelter Ausführung.

Tatsache: Ersteres stimmt wohl, nach zweiterem muss man schon sehr lange suchen. Die wenigsten Gesetze und Behördendokumente existieren in einer amtlichen sorbischen Fassung.

Tagesspiegel: Die 41-Jährige [...] ist die neue Intendantin des Sorbischen Nationalensembles (SNE), eines 100-Leute-Betriebs mit Ballett, Chor und Orchester.

Tatsache: Da hat man wohl die Kündigungswelle, die ja Milena Vettraino gerade umsetzt, schlicht übersehen.

Tagesspiegel: Die Intendantin spricht von einer Mauer zwischen Sorben und Nichtsorben in Bautzen. [...] Am Ende steht man vor dem Dom, in dessen Inneren die Teilung plastisch wird: in Form eines Zauns. [...] Auf der einen Seite beten die Protestanten, auf der anderen die Katholiken, zu Letzteren zählen die meisten Obersorben.

Tatsache: Jetzt wird es langsam absurd. Der Zaun im Dom ist das Relikt der konfessionellen Trennung der Kirche, die seit dem 16. Jahrhundert besteht. Damals waren die meisten Sorben in Bautzen und Umgebung allerdings noch Protestanten. Selbst wenn es stimmt, das die Mehrzahl der Sorben heute katholisch ist, so gehen in den Petridom doch vorwiegend deutsche Katholiken. Die sorbisch-katholische Messe hat ihren Platz in Bautzen nämlich in der Liebfrauenkirche. Also absoluter Unsinn.

Tagesspiegel: Immerhin, denn umgekehrt kommt es für die meisten Lausitzer nicht infrage, Sorbisch zu lernen.

Tatsache: Natürlich enthält der Bericht nicht nur Unwahrheiten. Gut, dass das mal erwähnt wurde.

Tagesspiegel: 81 Zentimeter beträgt die Neigung [des Reichenturms], ein beliebtes Fotomotiv.

Tatsache: Neigung? Normalerweise spricht man hier von der Abweichung vom Lot, die beträgt aber 1,44 m.

Tagesspiegel: Dass Bautzen im Zweiten Weltkrieg nicht wie [...] Dresden in Schutt und Asche gebombt wurde, habe auch daran gelegen, dass die russischen Kriegsgegner die Stadt mit dem slawischen Brudervolk verschonen wollten, erzählt Milena Vettraino.

Tatsache: Meine Güte. So viele Fehler in nur einem Satz. Dresden wurde bekanntlich von Briten und Amerikanern angegriffen, nicht von Russen. Bautzen allerdings wurde Ende April 1945 durch heftige Gefechte zwischen Deutschen und Russen schwer beschädigt, und nicht etwa "verschont". Schließlich hatte man die Stadt noch zur Festung erklärt, als schon alles zu spät war.

Und gleich weiter: Demnach sind sorbische Mütter mit ihren Kindern den russischen Soldaten bei Kriegsende vor der Stadt entgegengekommen, um ihnen die Rachegelüste auszureden.

Tatsache: Es gab tatsächlich sorbische Dörfer, in denen blau-rot-weiße Flaggen gehisst und Schilder aufgestellt wurden, die auf die ansässige slawische Bevölkerung hinwiesen. In vielen Fällen wurden diese Dörfer dann auch tatsächlich verschont. Von Bautzen selbst ist derartiges allerdings nicht bekannt. Und an Mütter, die mit ihren Kindern (!) der anrückenden Roten Armee entgegeneilen, während in der Stadt selbst noch die Wehrmacht sitzt, sollte eigentlich nicht mal der Tagesspiegel glauben.

Dazu heißt es dann auch: Die Legende ist nicht verbürgt, aber die Sorben erzählen sie gerne.

Das kann ich nicht bestätigen. Wenn sie "gerne erzählt" würde, hätte man vermutlich schon mal etwas davon gehört. Das ist nicht der Fall.

Tagesspiegel: Dass es nur noch halb so viele internationale Tourneen geben soll, da seien sowieso nur irgendwelche Kindermusicals gespielt worden.

Tatsache: Es wurde tatsächlich auch das Kindermusical Knax gespielt, das nichts mit sorbischer Kultur zu tun hat. Das aber nur irgendwelche Kindermusicals aufgeführt wurden, ist nichts weiter als eine bösartige Unterstellung, die hoffentlich nicht von Frau Vettraino selbst stammt.

Tagesspiegel: Doch Milena Vettraino hat sich schwere Gegner ausgesucht. Denn Bautzen ist bis heute Synonym für etwas anderes: die Haftanstalt für politische Gefangene der DDR.

Tatsache: Da hat ja wohl das eine absolut gar nichts mit dem anderen zu tun.

Tagesspiegel: Sie [Vettraino] will mehr Deutsche im Theater einstellen...

So? In der Lausitz meint sie immer, das SNE - welches vermutlich mit "Theater" gemeint ist - solle endlich wieder sorbisch werden, nach den langen "deutschen" Rögner-Jahren. Halte nur ich das für einen Widerspruch?

Fazit: Wenn in der überregionalen Presse über uns geschrieben wird, ist das schön und wünschenswert. Wenn die Berichterstattung allerdings einhergeht mit klaren Fehlinformationen, ja sogar mit Unterstellungen, dann können wir uns das Ganze schenken. Wer hier fürchterlich geschlampt hat, kann ich nicht sagen. Einerseits vermutlich der Redakteur des Tagesspiegels. Andererseits sollte man sich so einen Artikel schon noch einmal vor Drucklegung zusenden lassen, gerade wenn man ganz offenbar kontroverse Themen angesprochen hat.

Wenn so etwas am Ende dabei herauskommt, ist Niemandem geholfen.