Wenn es nach der schwarz-gelben sächsischen Regierungskoalition geht, steht uns eine Wiedereingliederung der verloren geglaubten Landstriche im Osten unmittelbar bevor. Vorweg: Nein, natürlich nicht der deutschen. Pommern und Schlesien bleiben schön da, wo sie sind. Vielmehr sorgte das Kabinett Tillich für verwundertes Staunen in der Lausitz, als es aus heiterem Himmel vorschlug, den gesamten Landkreis Görlitz zum "Heimatkreis" der Sorben zu erklären. Von der Struga bis an die Mandau, oder so.
Nun ja, so ganz unerwartet kam das Manöver nicht, schließlich geht es eigentlich darum, ein Lieblingsprojekt der Regierung, nämlich die offenbar überfällige Strukturreform in der sächsischen Gerichtslandschaft, durchzusetzen. Eine angedachte Maßnahme im Zuge dessen sollte die Herabstufung des Bautzener Landgerichtes zu einer Görlitzer Außenstelle werden. Stadt, Landkreis und natürlich die Richter selbst waren empört ob dieser bevorstehenden Degradierung und zogen nach kurzer Bedenkzeit die Sorbenkarte aus dem Hut. Laut Sächsischem Sorbengesetz § 9 ist es im sorbischen Siedlungsgebiet - also z.B. in Bautzen - nämlich möglich, sich "vor Gerichten [...] der sorbischen Sprache zu bedienen", und zwar ohne, dass "Kostenbelastungen oder sonstige Nachteile" für den Bürger entstehen. Außerhalb des offiziellen Siedlungsgebietes - also z.B. in Görlitz - geht das in dieser Form nicht. Landgerichtspräsident Konrad Gatz wies dementsprechend darauf hin, dass das Recht der Sorben, vor Gericht Sorbisch zu sprechen, in Gefahr sei. Eine Einschränkung dieses Rechts - das selten genutzt wird, aber prinzipiell dennoch wichtig ist - sei unzulässig.
Nachdem der Sturm der Entrüstung in den letzten Wochen etwas abgeflaut war, präsentierte nun der FDP-Landtagsabgeordnete, Sprecher für sorbische Angelegenheiten seiner Fraktion und Bautzener Stadtrat Mike Hauschild die simple Lösung, auf die zuvor aus unerfindlichen Gründen keiner gekommen war: Die Wiedereingliederung des Landkreises Görlitz in sorbisches Territorium. Oder, etwas weniger pathetisch formuliert, die Umwidmung des Landkreises Görlitz zu einem "sorbischen Heimatkreis", in welchem dann das Sächsische Sorbengesetz nebst allen Rechten und Pflichten Anwendung finden würde.
Natürlich gibt es im Norden des betroffenen Kreises bis heute Gemeinden, in denen das Sorbische mehr oder minder lebendig ist, unter anderem Schleife und Trebendorf. Und selbstverständlich liegen weiter südlich Dörfer, die noch vor 100 Jahren mehrheitlich sorbisch bewohnt waren, z.B. Krischa (seit 1936 Buchholz) in der Gemeinde Vierkirchen oder Großdehsa, Laucha und Nechen bei Löbau. Aber gleich der gesamte Landkreis? Bis nach Zittau? Das trägt zwar einen slawischen Namen, aber Sorbisch wird dort doch seit Jahrhunderten nicht mehr gesprochen. Nun gut, warum eigentlich nicht? Dann aber bitte gleich richtig! Mit zweisprachiger Beschilderung, sorbischen Kindergärten und Schulen, sorbischen Beamten in den Rathäusern und dem ganzen Drumherum, das schon bei uns so reibungslos funktioniert. Wegkreuze gibt's selbstverständlich gratis dazu. Wer die Gegend ein wenig kennt, kann sich in etwa vorstellen, wie groß die Begeisterung in Eibau, Niedercunnersdorf und Hirschfelde wäre. Was haben sich CDU und FDP da nur eingebrockt?
Vielleicht sollte sich die schwarz-gelbe Landesregierung unter "unserem" Ministerpräsidenten lieber um die Verwirklichung dessen kümmern, was schon jetzt im Sächsischen Sorbengesetz steht, nämlich z.B. um das "Recht auf Schutz, Erhaltung und Pflege ihrer angestammten Heimat" (§ 2, Absatz 3), welches meines Erachtens durch das klare Bekenntnis des Ministerpräsidenten zur Zukunft der Braunkohle und damit zur Abbaggerung der noch einigermaßen sorbischen Dörfer Rohne, Mulkwitz und Mühlrose mit Füßen getreten wird. Oder aber um Paragraf 10, der die zweisprachige Beschilderung fordert, die in den Randgebieten, gerade auch im Landkreis Görlitz, an vielen Ecken komplett fehlt. Oder auch um Paragraf 14, der eine "angemessene Berücksichtigung" der sorbischen Sprache und Kultur durch sorbischsprachige Sendungen und Beiträge in den Medien verlangt, die durch 25 Minuten im Monat kaum erfüllt sein dürfte. Und so weiter.
Solange noch nicht einmal das realisiert ist, was vor fast 20 Jahren gesetzlich verankert wurde, solange der "sorbische Ministerpräsident" die Heimat Vattenfall in die Baggerschaufel wirft, pfeife ich auf einen "Heimatkreis", der nichts weiter ist, als ein verzweifeltes Manöver zur Rettung einer undurchdachten Strukturreform.
Šula žiwjenja za wšědne serbowanje
vor 5 Jahren