Donnerstag, 8. Dezember 2011

Wem gehört unser Geld? Über Förderer und Bettler.

Im Umfeld der hitzigen Diskussionen um die Zukunft einiger sorbischer Institutionen schlich sich in den letzten beiden Wochen ein Element in die Berichterstattung ein, das dort vollkommen fehl am Platz ist. Wer genau hinschaute, konnte erkennen, dass die Diskussion mittlerweile auch wieder mit "ethnischen Argumenten" geführt wird. Dass sich am berüchtigten deutschen Stammtisch mehr oder weniger seit 1949 beschwert wird, "die Sorben" bekämen zu viel staatliche Förderung, oder das diese gleich komplett in Frage gestellt wird, ist nichts Neues. Das dieser Subtext nun auch in der öffentlichen Berichterstattung - auf deutscher und sorbischer Seite - auftaucht, dagegen schon.

Konkret geht es hier zum Einen um ein Interview mit dem Intendanten des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters, Lutz Hillmann, im Oberlausitzer Kurier. Das Theater wird - so der Beschluss der Stiftung für das sorbische Volk - ab 2013 200.000 Euro weniger pro Jahr erhalten. Unabhängig davon, ob dieser heftige Einschnitt verträglich oder gerechtfertigt ist, nimmt der Artikel gegen Ende eine seltsame Wendung. Zunächst wird FDP-Mann Reiner Deutschmann zitiert, der meint, "die Mittel von Bund, Freistaat Sachsen und Brandenburg würden nicht fürs "Verwalten" bereitgestellt". Dagegen kann man schlecht etwas einwenden. Der Artikel endet mit der Feststellung Hillmanns, man dürfe nicht vergessen, "dass es sich hier um Geld aus deutschen Steuermitteln handelt." Was will er uns damit sagen? Was soll hier der Hinweis, es handele sich um "deutsche" Steuermittel? Will man hier so tun, als würde das Theater von "den Sorben" kaputtgespart? Das Problem ist wohl kaum die Herkunft der Mittel, sondern deren Höhe und die Art ihrer Verteilung. Darauf kommen wir später noch einmal zurück.


Zum anderen war ich ziemlich überrascht über einen Kommentar von Serbske-Nowiny-Chefredakteur Janek Wowčer, der in der deutschsprachigen Dezember-Ausgabe der Zeitung erschien und sich auf die Lage im Sorbischen National-Ensemble bezog. Dass diese alles andere als perfekt ist, sollte mittlerweile klar sein. Auf der Schadźowanka sprach man vor drei Wochen schon vom SNE, "unserem sorbischen Griechenland". Seltsam mutet jedoch Wowčers Schlussbemerkung an: "Dass jetzt manch einer den Sorben den Geldhahn am liebsten sogar zudrehen würde, kann ich verstehen. Denn: Statt das Geld vernünftig in die Zukunft unseres Volkes zu investieren, verbraten wir es lieber wegen "dilettantischer" Fehler und Unwissen vor Gerichten." Bei allem Respekt und Verständnis: Diese Logik ist keine, die Stoßrichtung die falsche und die Schlussfolgerung gefährlich.

Offenbar diskutieren wir also auch über die Frage, wessen Geld es eigentlich ist, welches "wir" hier "verbraten". In beiden Artikeln bekommt man den Eindruck, es handele sich um Almosen vom "Staat" bzw. von "den Deutschen". Da ist die Rede von "deutschen Steuermitteln" und dem "Zudrehen des Geldhahns". Das ist in der Endkonsequenz auch nichts anderes, als der eingangs beschworene deutsche Stammtisch palavert. Meine Herren, es ist unser Geld, welches hier verbraten wird. Nicht nur, dass es dem sorbischen Volk aufgrund von Landes- und Bundesgesetzen zusteht, nein, es kommt auch direkt von uns. Die Stiftung finanziert sich aus staatlichen Mitteln, die wiederum aus Steuereinnahmen resultieren. Und zwar aus deutschen und sorbischen. Schließlich zahlt "der Sorbe" ebenso Steuern wie "der Deutsche". Dass das manche nicht begreifen wollen, scheint mir ein Grund für den schrägen Verlauf der Debatte zu sein.

Was also ist das Grundproblem? Erstens die unzureichende Höhe der Zuwendungen. Wenn wir davon ausgehen, dass die Stiftung momentan 16,8 Millionen Euro pro Jahr erhält, so sind das zunächst einmal 3,7 Millionen weniger als zur Gründung der Stiftung im Jahre 1991, worauf Detlef Kobjela erst kürzlich dankenswerterweise einmal wieder hinwies. Was ist der Grund für die Senkung des Gesamtbudgets? Wohl kaum die Annahme, dass es ja ohnehin von Jahr zu Jahr immer weniger Sorben gebe, oder? Die Mittel wurden also um fast 20 Prozent gekürzt, einige Institutionen mussten schon kurz nach der Wende geschlossen werden (bspw. die Zentralen Sprachschulen), andere verloren einen großen Teil ihrer Belegschaft. Doch damit hatte das Kaputtsparen der sorbischen Institutionenlandschaft noch lange kein Ende, wie wir momentan wieder sehen. Dieses Mal sind das Sorbische Institut und eben das Theater an der Reihe.

Fakt ist: Das durchschnittliche Steueraufkommen pro Kopf lag in Deutschland 2010 bei etwa 6476 Euro. Der durchschnittliche Betrag, den die Stiftung für das sorbische Volk pro Kopf erhält, liegt bei 280 Euro. Davon unterstützt sie dann also das einzige wissenschaftliche Forschungsinstitut, den einzigen Verlag inklusive aller einzigartiger Medien, das einzige professionelle Ensemble, das einzige professionelle Theater, das existenzsichernde Witaj-Projekt, die beiden Museen und - so nebenbei - auch noch Jugendarbeit, Großveranstaltungen wie das Folklorefestival, Projektarbeit usw. Auch wenn man natürlich kaum behaupten kann, Sorben würden nur sorbische Angebote nutzen und selbst, wenn man bedenkt, dass z.B. die gesamte Infrastruktur - Straßen, Schulen, Krankenhäuser etc. - ja quasi "unethnisch" ist, sind 280 Euro pro Kopf wohl kaum zu viel. Vor allem, wenn man bedenkt, dass im Durchschnitt eben auch jeder Sorbe seine 6476 Euro pro Jahr an das Staatswesen abführt. Richtig gerechnet zahlen also "die Deutschen" überhaupt nichts für sorbische Sprach- und Kulturpflege, und selbst "die Sorben" selbst nur lächerliche 4,3 Prozent ihrer Steuerausgaben (280/6476). Dabei unterstelle ich selbstverständlich, dass "den Sorben" z.B. der Fortbestand des deutschen Auslandsrundfunks (Deutsche Welle, 273,6 Mio. €/Jahr) oder die "Förderung kultureller Maßnahmen gemäß Bundesvertriebenengesetz" (14,6 Mio.) relativ egal ist. Wichtiger als deutscher Auslandsfunk wäre uns vielleicht endlich einmal ein eigener Radiosender. Soviel zum Mythos, "wir" bekämen zu viel Geld. Tatsächlich wendet der deutsche Staat pro Jahr ungefähr soviel für die gesamte sorbische Institutionenlandschaft auf, wie er für das Jüdische Museum in Berlin alleine ausgibt. Und das heißt nicht etwa, dass das JMB zu viel erhält.

Dieses unzureichende Geld muss nun verteilt werden. Da liegt das zweite grundlegende Problem: Verteilt wird es durch eine Stiftung, deren Stiftungsrat aus 15 Mitgliedern besteht, darunter allerdings gerade einmal sechs Sorben. Das bedeutet ganz einfach auf den Punkt gebracht, dass das sorbische Volk seine eigenen Finanzmittel, von denen ihm der deutsche Staat zu wenig "zugesteht", noch nicht einmal selbst verwalten darf. Das ist eine zweifellos interessante Form von "Minderheitenförderung" und ein krasser Fall von Bevormundung. Wir müssen also festhalten, dass im Zweifelsfall (z.B. bei anstehenden Kürzungen) zwar "die Sorben" schuld sind, de facto aber Deutsche entscheiden, wohin wenig Geld fließt und wohin keins. Zusätzlich kommt erschwerend hinzu, dass die sorbischen Ratsmitglieder teilweise befangen sind, was zumindest für Domowina-Geschäftsführer Bjarnat Cyž und SNE-Intendantin Milena Vettraino gelten dürfte. Grundlegende Entscheidungen sind in der heutigen Situation quasi nicht mehr möglich, wie wir erst bei der letzten Stiftungsratssitzung eindrucksvoll sehen konnten. Unterfinanziert und handlungsunfähig. Bravo.

Was ist also zu tun? Auch, wenn das mittlerweile schon allzu oft gesagt wurde: Meines Erachtens kann die Lösung nur in der Schaffung einer demokratisch gewählten sorbischen Volksvertretung liegen, die sowohl für die Verteilung der Mittel als auch für die Repräsentanz des sorbischen Volkes nach außen hin zuständig sein müsste. Vier ganz einfache Gründe dafür: 1. Die Mittel, die uns zur Verfügung stehen, stammen aus sorbischen Steuereinnahmen, sind also quasi "demokratisch akquiriert" und müssen daher auch demokratisch verteilt werden. 2. Die demokratische Konstruktion würde die Einbeziehung und Anteilnahme des gesamten sorbischen Volkes garantieren und den Effekt von persönlichen Befangenheiten und Abhängigkeiten deutlich schwächen. Gleichzeitig wären auch die Entscheidungen jene des sorbischen Volkes, welches dann in seiner Gesamtheit dafür verantwortlich wäre. 3. Das sorbische Volk dürfte damit erstmals selbst über die ihm zustehenden Gelder verfügen. 4. Die Legitimität, die ein demokratisch gewähltes Parlament nach innen und außen hätte, wäre deutlich größer, so dass auch der ausübbare Einfluss (z.B. beim nächsten zu erwartenden Streit über ein neues Finanzierungsabkommen) wachsen würde. Ein Parlament lässt sich schwerer ignorieren als ein eingetragener Verein.

Die Etablierung demokratischer Strukturen im Sorbenland ist eine große Aufgabe, die sicherlich noch ein wenig Zeit in Anspruch nehmen wird. Es gibt allerdings ein paar einfachere Dinge, die wir schon jetzt erledigen können: Legen wir endlich den antrainierten Bettler-Komplex ab und fordern selbstbewusst die Kontrolle über unsere eigenen Gelder! Hören wir auf damit, Verständnis für jene zu zeigen, die uns diese Gelder kürzen oder gar vorenthalten wollen! Und gehen wir doch einfach mal wieder demonstrieren!

5 Kommentare:

  1. Eine gute Analyse - stellenweise fast genial. Aber formulieren wie erst mal die konkreten Forderungen, veröffentlichen die Argumente und Aufrechnungen und gehen dann demonstrieren.
    Gruß Michael Apel

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  2. Mit etwas Wohlwollen kann man "deutsche Steuermittel" aber auch anders interpretieren - nämlich als Mittel der Bundesrepublik Deutschland. Die Semantik sollte das zulassen...
    Ansonsten sehr guter Artikel. Wobei der Hinweis, dass mit Steuermitteln sparsam und sinnvoll umzugehen ist, nie falsch ist.

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  3. Natürlich könnte man sie auch als Mittel der Bundesrepublik Deutschland interpretieren, allerdings wäre das zum Einen falsch (da es sich auch um Mittel Sachsens und Brandenburgs handelt) und zum Anderen: Woher sollten sie auch sonst kommen? Wir leben ja nun einmal hier.

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  4. Zuerst einmal Danke für den Artikel. Zwei kleine Anmerkungen habe ich dennoch und das eher zu der sorbischen Volksvertretung: 1. An und für sich finde ich die Idee nicht schlecht. Leider hat sich mir bis jetzt nicht erschlossen, wie man bei dieser Vertretung das aktive und passive Wahlrecht vernünftig regeln könnte. und 2. Diese Vertretung muss sich zuerst seinen Einfluss erarbeiten. Es ist meines Erachtens nicht so, dass eine gewählte Vertretung sofort einen größerern Einfluss besitzt. Legitimation muss erarbeitet werden!

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  5. Eine Variante wäre, prinzipiell jedem Einwohner des sorbischen Siedlungsgebietes (also auch der deutschsprachigen Mehrheit) das Wahlrecht zuzugestehen, als Geschäftssprache im Sejmik jedoch Sorbisch festzuschreiben. Gleichzeitig würde sich jeder Wähler durch seine Abstimmung zum Sorbentum bekennen. Die Sprachregelung würde aller Voraussicht nach einem Missbrauch z.B. durch rechtsgerichtete Kräfte vorbeugen. Alle anderen Ideen (vorher registrieren, erstmal sorbische Gemeindevertreter bestimmen, die dann wählen etc.) halte ich für zu kompliziert. Für Sorben außerhalb der Lausitz müsste man eine zusätzliche Registrierung ermöglichen.

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