Mittwoch, 8. August 2012

Aus dem Deutschen Nationalensemble Bautzen


Mit diesem freundlichen Flyer wirbt das Sorbische Nationalensemble momentan für einen Familiensonntag in der Slawenburg Raddusch. Moment mal. Das SNE? Fehlt da nicht irgendetwas? Wer gedacht hatte, mit der Einstellung von Milena Vettraino - einer "waschechten Sorbin" - wäre mittlerweile wieder sorbischer Geist in das Ensemble eingekehrt (der vorher nicht da war?), der hat sich wohl getäuscht. In der Zwischenzeit mussten wir von einer Veranstaltung lesen, bei der vom Kinderchor beinahe ausschließlich deutsche Volkslieder gesungen wurden. Dem Niedersorbischen wurde vor Gericht abgesprochen, eine eigenständige Sprache zu sein. Ein sorbischer Bewerber für den Chor wurde abgewiesen, wobei die Begründung nicht wirklich klar wurde. Und jetzt sind wir offensichtlich schon bei einsprachig deutschem Werbematerial angelangt. Wer genau hingeschaut hat, dem wird ein gewisser Trend nicht verborgen geblieben sein. Auch in der folgenden Werbung ist bereits eine klare sprachliche Hierarchie zu erkennen:


Sorbische Trachten und Tänze sind schön und gut. Die Förderung des Sorbischen ist aber niemals und unter keinen Umständen möglich ohne die sorbische Sprache! Wenn das selbst der größten "sorbischen Institution" unter einer "sorbischen Intendantin" nicht klar ist, stellt sich für mich auf einmal wieder die Frage, wofür diese über 4 Millionen Euro jährlich von der sorbischen Stiftung erhält. Nichts gegen deutsche Volkslieder und deutsche Werbung. Aber müssen für ein deutsches Ensemble wirklich sorbische Gelder fließen?

Donnerstag, 28. Juni 2012

Serbska science-fiction z 19. lětstotka

Zaso raz zajimawy dokument, tónkróć z pjera wulkeho serbskeho wědomostnika Arnošta Muki: Pućowanje po Delnjej Łužicy z lěta 1876 nětko online na www.luzica.la. Komentar šefredaktora Noweho Casnika: "To se źinsa lazujo hejnak science-fiction-literatura." Prawje ma.

Donnerstag, 31. Mai 2012

Warum nicht auf Sorbisch?

Im Laufe der letzten Woche beklebten bisher unbekannte Aktivisten - womöglich beeinflusst durch ähnliche Aktionen in Wales, über die u.a. hier berichtet wurde - zahlreiche einsprachige Wegweiser und sonstige Schilder in und um Bautzen mit der Frage "A serbsce? Und auf sorbisch?". Die roten Aufkleber machten dabei auf den inakzeptablen Zustand der zweisprachigen Beschilderung in Bautzen aufmerksam. Bisher wird in der "sorbischen Hauptstadt" nämlich - abgesehen von einigen Orten in der näheren Umgebung und dem Deutsch-Sorbischen Volkstheater - fast nichts zweisprachig ausgeschildert. Das jedoch steht, wie heute auch in der Sächsischen Zeitung betont wurde, klar im Widerspruch zum Sächsischen Sorbengesetz (siehe unten) und auch zum Eigenanspruch der Stadt Bautzen, "Hauptstadt der Sorben" sein zu wollen.

Sorbische Medien - Rundfunk, Zeitung und Blogger - nahmen die Aktion zunächst mit Wohlwollen auf; auch Domowina-Vorsitzender Dawid Statnik äußerte sich in einem Telefoninterview unterstützend. Mit Genugtuung wurde auch registriert, dass die vom Ordnungsamt Bautzen zwischenzeitlich ohne Kommentar entfernten Aufkleber in der Westvorstadt "über Nacht zurückkehrten". Einer, der in solchen Fällen seine Stimme erheben sollte, tat dies schließlich auch und sorgte am Wochenende für das erste Auftauchen der Aufkleber-Aktion in der deutschen Presse.

 Zweisprachige Beschilderung...
...sucht man (nicht nur) in Bautzen leider oft vergeblich.

Gerade der "Beauftragte für sorbische Angelegenheiten" (!) des Landkreises Bautzen - Benedikt Cyž - verurteilte in einer Pressemitteilung die Aktion aufs Schärfste, unter Bezugnahme auf hanebüchene Argumente ("Verkehrssicherheit") und in einer völligen Ignoranz des Fakts, dass der Großteil der öffentlichen Schilder im sorbischen Siedlungsgebiet rechtswidrig einsprachig sind. Stattdessen beklagte er eine angebliche Gefährdung seines eigenen Projektes der längst überfälligen "Fehlerkorrektur" auf bereits jetzt zweisprachigen Schildern. Worin der Zusammenhang zwischen beiden Problemen besteht, erläuterte er dagegen nicht. Mit seiner Mitteilung stellte Cyž unglücklicherweise auch die Absurdität seiner Aufgabe im Landratsamt unter Beweis. Er ist sicher nicht zu beneiden um eine Anstellung, die ihn zwar verpflichtet, sich um sorbische Bedürfnisse zu kümmern, ihn andererseits aber auch in die engen Verwaltungsvorschriften seines Arbeitgebers zwängt. Dennoch war so mancher vor allem über den scharfen - stellenweise beinahe beleidigten - Ton der Mitteilung erschrocken:
"Leider gibt es Mitmenschen, die sich im Verborgenen mit dem Aufkleber „a serbsce – und sorbisch?“, angebracht an verschiedenen öffentlich zugänglichen Stellen und Informationspunkten, in Szene setzen wollen [...] ." - Im Verborgenen in Szene setzen? Wie stellt er sich das vor? Nun gut...
Nach einem Aufruf, die "sinnlosen Klebeaktionen" zu unterlassen, forderte Cyž schließlich sogar die Bautzener Bürger dazu auf, nächtliche Schilderstürmer künftig zu denunzieren:
"Neben der bereits erfolgten polizeilichen Anzeige gegen Unbekannt bitte ich alle Bürger
um ihre Mithilfe, damit diese Art von Sachbeschädigung und Eingriff in die Verkehrssicherheit zukünftig unterbleibt."
Ob dieser Appell im Sinne der sorbischen Mitbürger ist, die Benedikt Cyž zu vertreten hat, ist wohl zweifelhaft. Der sorbische Blogger Piwarc fordert jedenfalls schon - nicht unbedingt zu Unrecht - den Rücktritt von Cyž, der seine Aufgaben als Sorbenbeauftragter offenbar zugunsten der Belange des Straßenbauamtes zu vernachlässigen beginnt. Dass Cyž in Anbetracht seiner Aufgabe einen inakzeptablen und rechtswidrigen Zustand auf Bautzener Straßen verteidigt, ist nicht nur peinlich, sondern auch bedenklich. Zur rechtlichen Absicherung der anonymen Aktivisten, gegen die der Landkreis nun offensichtlich Anzeige erstattet hat, sei hier noch einmal das Sächsische Sorbengesetz, Paragraph 10 zitiert:
"Die Beschilderung im öffentlichen Raum durch die Behörden des Freistaates Sachsen und die seiner Aufsicht unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, insbesondere an öffentlichen Gebäuden, Einrichtungen, Straßen, Wegen, öffentlichen Plätzen und Brücken, soll im sorbischen Siedlungsgebiet in deutscher und sorbischer Sprache erfolgen."
Mit anderen Worten ist die Aufkleber-Aktion im Sinne des sächsischen Gesetzes prinzipiell gerechtfertigt. Völlig unbeeindruckt davon der Sorbenbeauftragte des Landkreises in seiner Pressemitteilung u.a.:
"Zu beachten ist dabei, dass Orte, die außerhalb des sorbischen Siedlungsgebietes liegen, nicht zweisprachig beschriftet werden."
Aus welchem Grund sollte das "zu beachten sein", wo doch das Sorbengesetz kein Wort über eine solche Einschränkung verliert? Wer sagt das überhaupt? Eine Verwaltungsvorschrift, die älter ist als das Sächsische Sorbengesetz, gegen dessen Intention verstößt und daher schon vor 20 Jahren hätte angepasst werden müssen? Anstatt stur auf der Deutungshoheit seiner Behörde zu beharren, sollte sich Herr Cyž lieber Gedanken machen, warum das Landratsamt Bautzen aufgrund einer veralteten Verwaltungsentscheidung seit Jahren gegen geltendes sächsisches Recht verstößt und was er persönlich dagegen unternehmen könnte. Das gleiche gilt im Übrigen für die Stadt Bautzen, die sich mit ihrer ersten Reaktion auf die Aktion - der Benennung des Bußgeldes für "Ordnungswidrigkeiten" dieser Art - sicherlich keine Freunde gemacht hat.

Ohnehin ist es irritierend, dass den betroffenen Behörden keine bessere Antwort auf eine offenbar berechtigte Kritik an illegaler Einsprachigkeit einfällt, als das Drohen mit Bußgeldern und Anzeigen aufgrund von "Sachbeschädigung" und "Einschränkung der Verkehrssicherheit". Selbstverständlich kann man es sich als Verwaltung prinzipiell nicht bieten lassen, dass Unbekannte einfach so Stadt- oder Kreiseigentum bekleben. Ein wenig Selbstreflexion darf man doch aber wohl auch von Behörden erwarten, oder nicht? Und vor allem die Einhaltung und konsequente Durchsetzung geltenden sächsischen Rechts!

Mittwoch, 30. Mai 2012

Vettraino: Wirbt für Vielsprachigkeit

Anlässlich des Pfingstfestes sprach MDR Figaro mit verschiedenen Leuten über Vielsprachigkeit und ihre Vorzüge, unter anderem mit der Intendantin des Sorbischen Nationalensembles, Milena Vettraino. Die Features finden sich hier zum Nachhören.

Samstag, 26. Mai 2012

Balkanische Südsorben, Lausitzer Nordserben?

Häufig, wenn Sorben und Serben aufeinandertreffen, liegt die (zugegeben einleuchtende) Frage in der Luft, was denn nun beide miteinander zu tun hätten. Vor allem im serbisch-nationalistischen Spektrum beschäftigt man sich erstaunlich häufig mit den "Brüdern im Norden" oder den "Nordserben", wie man uns zwischen Belgrad und Niš gerne nennt. Die korrekte Bezeichnung ist im Serbischen (Kroatischen, Bosnischen, Montenegrinischen) übrigens "Lužički Srbi", also eben "Lausitzer Serben". Diese Form war bis ins 20. Jahrhundert hinein auch in deutschen Veröffentlichungen anzutreffen und sie hat einige Berechtigung, nennen die Sorben sich selbst doch "Serbja" und nicht etwa "Sorbja". Das "o" zwischen S und R wird von Einigen dann schnell mal als perfide deutsche Erfindung abgetan, um die serbischen Brüder in der Lausitz und auf dem Balkan auseinanderzubringen. Sind die Sorben also letztendlich nur Nordserben? Nicht ganz.

Im Sorbischen bezeichnet man jene Serben auf dem Balkan als "Južni Serbja", also "Südsorben". Es mag zunächst befremdlich klingen, aber eigentlich liegt man damit ganz richtig. Als die balkanischen Serben nämlich im frühen 9. Jahrhundert erstmals erwähnt wurden, hieß es "Sorabos, quae natio magnam Dalmatiae partem obtinere dicitur", also "Soraben, die den größten Teil Dalmatiens besiedeln", mit O. Das ist das gleiche O, mit dem verschiedene Chronisten die an Saale und Elbe siedelnden slawischen Völker, also die Vorfahren der heutigen Sorben, bezeichneten. Mit Fug und Recht könnte man also behaupten, die heutigen Serben seien "eigentlich" Südsorben.

Doch wie kommt es überhaupt, dass zwei so weit voneinander entfernte Völker beinahe den gleichen Namen tragen? Dazu gibt es mehrere Theorien, wobei die anerkannteste und glaubwürdigste jene ist: Im 6. und 7. Jahrhundert besiedelten slawische Stämme, aus Osten kommend, den Raum des heutigen Ostdeutschlands und gerieten an den Oberläufen von Saale und Main spätestens Mitte des 7. Jahrhunderts in blutige Konflikte mit den dort ansässigen Franken. Daher rühren auch die ersten urkundlichen Erwähnungen, die wir aus fränkischen Chroniken kennen. Eine gewisse Bekanntheit unter den Franken errang u.a. der sorbische Fürst Derwan. 

Vermutlich aufgrund der immer unruhigeren Lage im sorbisch-fränkischen Grenzgebiet verließ ein größerer Stammesverband in dieser Zeit die Gegend und wanderte in Richtung Süden. Dort - genauer in Dalmatien, vermutlich auch in den angrenzenden Gebieten - müssen sie im Jahr 822 (dem Jahr der Ersterwähnung auf dem Balkan) schon ziemlich verbreitet gewesen sein, wie wir oben gelesen haben. Aufgrund dieser dunklen Vorgeschichte, aus der nur wenige verlässliche Fakten gesichert sind, bezeichnete man spätestens seit dem 19. Jahrhundert die Lausitz als "Weißserbien", also als mythische Urheimat des serbischen Volkes. Das erklärt auch die Begeisterung vor allem in nationalistischen Kreisen.

So oder so ähnlich wirds wohl gewesen sein. Nur muss es natürlich "The Sorbs" heißen. (Grafik: Nexm0d, Wikimedia Commons, Public Domain)

Nun werden die Sorben, die bis heute die Lausitz bewohnen, von ethnonationalistischen Serben gerne als letzte Bastion ihres Volkes im Norden gesehen. Da wird dann schon einmal eine bewaffnete Befreiungsbewegung herbeifantasiert, die die Unabhängigkeit der Lausitz erkämpft. Dass Sorben und Serben zwei Völker mit zwei (eigentlich sogar drei) Sprachen sein sollen, kann gar nicht sein, schließlich sei man doch vor 1400 Jahren gemeinsam gekommen! Das mag wohl sein, dennoch greift (nicht nur) hier wieder einmal der große Irrtum des Ethnonationalismus: Völker im heutigen Sinne gab es im 7. Jahrhundert erstens noch nicht, zweitens beruhen ethnische Gruppen eben nicht hauptsächlich auf Abstammung, sondern meist auf gemeinsamer Sprache und immer auf einem Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Gruppe. Anders gesagt: Wenn die Sorben gerne ein eigenes Volk sein wollen, dann sind sie auch eins!

Wann ist nun das rätselhafte "O" im Namen der Sorben aufgetaucht, wenn sie sich doch selbst als Serbja und serbski bezeichnen? Nach allem, was mir bekannt ist, gab es spätestens im 17. Jahrhundert (deutsche) Schriften, die von den "Sorberwenden" in der Lausitz schrieben. In Anbetracht der Menge an Quellen aus dem 9. und 10. Jahrhundert, die diese Schreibweise etablierten, scheint es wahrscheinlich, dass man sich bei der Wahl der deutschen Bezeichnung an der älteren lateinischen orientierte. Eine Erfindung großdeutscher Nationalisten, die das serbische Volk und seinen Namen in der Lausitz ausrotten wollten, ist sie jedenfalls nicht. Und ganz nebenbei: Wo ist bitte das "E" bei den Srbi? Na bitte.

Donnerstag, 12. April 2012

Konsequente Zweisprachigkeit: So wirds gemacht!

Es ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass sogenannte linguistic landscapes (also die Sichtbarkeit von Sprache(n) im öffentlichen Raum zweisprachiger Gebiete) einen wichtigen Einfluss auf das Miteinander von Mehrheit und Minderheit sowie auf ihr Selbstbewusstsein ausüben. Ist die kleinere Sprache überhaupt sichtbar, wenn ja in welchen Umfeldern und in welcher Größe? Nur ein Beispiel: Steht der sorbische Ortsname selbst in mehrheitlich sorbischen Dörfern nur halb so groß auf dem Ortsschild wie der deutsche, ist das nicht einfach nur eine willkürliche Festlegung, es transportiert auch eine Botschaft: Wir sind die Mehrheit, ihr die Minderheit. Oder eben genau andersherum, selbst wenn die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort andere sein mögen.

Was öffentliche Zweisprachigkeit angeht, kann Wales mittlerweile als herausragendes Beispiel für so ziemlich alle anderen bilingualen Regionen Europas dienen. Das gilt jedoch auch dort erst seit den 1980er Jahren. Damals schwangen sich die Waliser - inspiriert vom erstarkenden Regionalismus in Großbritannien - zu einer in Anbetracht der Zahlenverhältnisse beeindruckenden Bewegung für die Gleichberechtigung ihrer Sprache auf. Im Laufe des Kampfes um eine wahre öffentliche Zweisprachigkeit kamen durchaus nicht immer nur legale Mittel zum Einsatz, letztendlich war er jedoch auf vielen Ebenen von Erfolg gekrönt. Mittlerweile ist der Walisisch-Unterricht in allen walisischen Schulen Pflicht und der Nachweis von Walisisch-Kenntnissen ein positives Kriterium bei der Jobsuche. Die folgenden Bilder entstanden vor drei Wochen in Wrecsam/Wrexham, Aberystwyth und Caerdydd/Cardiff und zeigen, wie sich die relativ neue konsequente Sprachpolitik der Waliser im öffentlichen Raum auswirkt.


Zweisprachige Straßenschilder sind auch bei uns ein gewohnter Anblick, allerdings mit kleinen, aber bedeutenden Unterschieden: In Wales ist alles zweisprachig ausgeschildert, in der Lausitz meist nur die Ortsnamen. In Wales sind beide Namen gleich groß und Walisisch steht an erster Stelle.Ungeachtet dessen, dass dieses Schild in Deutschland normalerweise unbeschriftet ist, sind in Wales selbst Parkuhren, Baustellenschilder und überhaupt alle Verkehrszeichen konsequent zweisprachig. Und in der Lausitz? Fehlanzeige!

Das gilt im Übrigen nicht nur für Straßenzeichen, sondern auch für die Straße selbst.

Briefkästen...

Sowie sämtliche Beschriftungen und Durchsagen an Bahnhöfen und in Zügen, die ganz nebenbei von einem großen Privatunternehmen (nämlich Arriva) betrieben werden...

Konsequente Zweisprachigkeit hört natürlich nicht an der Mülltonne auf:Und auch nicht am Hundehaufen:


Nun sollte die Umsetzung von Sprachpolitik durch Behörden und öffentliche Einrichtungen (eigentlich) nichts Besonderes sein, wenn es dementsprechende Gesetze, Satzungen und Richtlinien gibt. Viel interessanter ist, dass sie auch auf dem gewerblichen Sektor ziemlich durchgängig verwirklicht wird:

Nämlich an und sogar in Bankautomaten...

...an Postämtern......Versicherungsbüros...

...in Einkaufszentren...

...beim Rotary-Club...

...und sogar an Sushi-Bars.

Während es sich bei der öffentlichen Zweisprachigkeit, wie sie im größten Teil der Lausitz "gelebt" wird, um nicht viel mehr als eine Alibiveranstaltung handelt und Sorbisch im privat-kommerziellen Sektor bis auf wenige Ausnahmen quasi nicht vorkommt (erwähnen möchte ich hier allerdings stellvertretend die Volksbank, die zweisprachig Sicht- und Internetbannerwerbung macht), hat die walisische Bewegung für sprachliche Gleichberechtigung in den letzten beiden Jahrzehnten bereits so viel erreicht, dass es unangenehm auffällt, wenn doch mal ein Schild einsprachig geblieben ist.

Zu betonen ist, dass die Waliser sich ihre sprachlichen Rechte selbst erstritten haben. Alles, was in Wales gut funktioniert und in der Lausitz kaum, basiert auf der demokratischen Bewegung, die seit mehr als 20 Jahren demonstriert, Eingaben schreibt, Gesetzesänderungen erzwingt und Schilder überklebt. Der Weg zur sprachlichen Gleichberechtigung war und ist noch immer ein langer. Was jedoch in relativ kurzer Zeit für eine totgeglaubte Sprache erreicht wurde, kann auch für die sorbische Lausitz Mut machen. Die walisische Sprachpolitik kann auch uns den Weg aus der zu Ende gehenden Epoche des Nationalismus hin zu einem toleranten und gleichberechtigten sprachlichen und menschlichen Miteinander weisen. Bis dahin gibt es allerdings noch einiges zu tun.

Mittwoch, 25. Januar 2012

Schiemann setzt Prioritäten

Marko Schiemann, CDU-Landtagsabgeordneter für Bautzen und Umgebung, stellte sich heute gegen das von der schwarz-gelben Regierungskoalition in Dresden geplante Standortgesetz. Nicht generell, aber zumindest in puncto Bautzener Landgericht geht es dem sorbischen Parlamentarier gegen den Strich.

Schiemann reichte laut BILD-Zeitung einen Änderungsantrag ein, gemäß dem das Landgericht in der Spreestadt eigenständig bleiben soll. Er begründete seine Ablehnung wie zuvor schon der Rat für sorbische Angelegenheiten und der Bautzener Landrat mit dem sächsischen Sorbengesetz, dass Verhandlungen in sorbischer Sprache grundsätzlich möglich macht, aber eben nur in den "Heimatkreisen" der Sorben.

Die Erklärung dafür, warum er den Landkreis Bautzen als "Heimatkreis" versteht, den Landkreis Görlitz mit seinen vierzehn zum offiziellen Siedlungsgebiet zählenden Gemeinden jedoch nicht, blieb Schiemann indes schuldig.

Donnerstag, 19. Januar 2012

Mittellausitz retten - Vattenfall abbaggern!

Bis zum morgigen Freitag kann noch Jeder Widerspruch gegen die von Vattenfall beantragte Erweiterung des Tagebaus Nochten und damit gegen die Abbaggerung der Orte Rohne/Rowno und Mulkwitz/Mułkecy sowie die drohende Einkesselung von Mühlrose/Miłoraz einreichen.

Die Gemeinderäte der betroffenen Gemeinden Schleife und Trebendorf haben sich bereits gegen die Erweiterung ausgesprochen. In der gestrigen Ausgabe der Serbske Nowiny erklärte die Bürgermeisterin von Trebendorf, Kerstin Antonius: "Niemand von uns möchte seine Heimat und seinen Hof verlieren. Die Leute haben Angst und machen sich sorgen. Es geht um den Schutz unserer Natur und Umwelt." Die Ortsräte von Rohne und Mulkwitz wiesen darauf hin, dass die geplante Abbaggerung die sorbische Substanz gefährde und daher gegen das Sächsische Sorbengesetz verstoße.

Eine Musterstellungnahme gibt es hier. Man kann natürlich auch selbst eine verfassen. In jedem Fall müssen die Stellungnahmen bis morgen mittag beim Regionalen Planungsverband Oberlausitz-Niederschlesien, Käthe-Kollwitz-Straße 17, Haus 3, im Briefkasten landen.

Die nördlichen Ausbauten von Mulkwitz; Blick Richtung Rohne (Jörg Friebe, www.Lausitz-Bild.de; CC-BY-SA-3.0-DE)

Meine Stellungnahme lautet wie folgt:

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich wende mich grundsätzlich gegen den Planentwurf. Auf die Inanspruchnahme des Abbaufeldes 2 ist zu verzichten und das Vorranggebiet aufzuheben. Die ausgelegte Planung ist weder umwelt- noch sozialverträglich, preiswerte Energieversorgung kann auch ohne das Abbaugebiet 2 gesichert werden. Es besteht kein überwiegendes öffentliches Interesse an diesem Plan. Auf den Abbau der Kohle hat Vattenfall keinen Anspruch, der Schutz von Bevölkerung und Klima ist aber zwingend zu gewährleisten.

Ich beziehe mich im Besonderen auf das Sächsische Sorbengesetz, Paragraph 2, Absatz 3, in dem es unmissverständlich heißt: „Das sorbische Volk und jeder Sorbe haben das Recht auf Schutz, Erhaltung und Pflege ihrer angestammten Heimat und ihrer Identität.” Die sich im beantragten Abbaufeld 2 befindlichen Orte Mühlrose/Miłoraz, Mulkwitz/Mułkecy, Rohne/Rowno sowie der Ortsteil von Schleife/Slepo zählen zum sorbischen Siedlungsgebiet. Sie stellen als Orte im Schleifer Kirchspiel die nahezu einzigen verbliebenen Orte der mittleren Lausitz dar, in denen sorbische Sprache, Kultur und Identität noch lebendig ist. Das zeigt sich u.a. an der Existenz des Njepila-Hofes, der Sorbischen Heimatstube und des WITAJ-Kindergartens in Rohne, ferner an den einzigartigen Schleifer Bräuchen und Trachten, die in den genannten Orten gepflegt werden.

Mit der euphemistisch als “Inanspruchnahme” bezeichneten drohenden Vernichtung des 1513 erstmals erwähnten Heidedorfes Rohne und seines vermutlich im 12. Jahrhundert gegründeten Nachbarortes Mulkwitz sowie der geplanten Umkreisung und damit verbundenen Entsiedelung des 1536 erstmals erwähnten Mühlrose würde der Tagebau Nochten die jahrhundertealte Besiedlung dieser Gegend und ein Stück Mittellausitzer Kulturgeschichte endgültig beenden. Bereits jetzt hat der Tagebau Nochten das Kirchdorf Tzschelln, große Teile von Mühlrose und Nochten, den Weißwasseraner Tiergarten, das Pücklersche Jagdschloss, den Eichgarten, das Teichgebiet der Jäseritzen und große Heidegebiete unwiederbringlich vernichtet.

Der Braunkohletagebau hat in den letzten acht Jahrzehnten mehr als 70 Orte mit etwa 26.000 Einwohnern in der mittleren Lausitz devastiert, wobei in den meisten die sorbische Sprache noch lebendig war. Die Orte im Schleifer Kirchspiel sind mittlerweile das letzte verbliebene Verbindungsglied zwischen dem obersorbischen Sprachgebiet im Süden und dem niedersorbischen im Norden. Der Schleifer Dialekt unterscheidet sich von beiden Standardsprachen, ist als Mittellausitzer Dialekt mithin einzigartig und daher unbedingt schutzbedürftig.

Der Erhalt sorbischer Sprache und Kultur ist unbedingt an den Erhalt bestehender intakter Strukturen gebunden, zu denen neben der typischen Bausubstanz und gewachsenen Ortsstruktur der betreffenden Heidedörfer auch deren Umgebung gehört. In der Soziologie ist man sich einig, dass sogenannte “emotional landscapes” – also “emotionale Landschaften” – eine entscheidende Rolle bei Identitätsbestimmung und Heimatgefühl spielen. Dazu gehören neben dem Heimatdorf an sich auch scheinbare “Kleinigkeiten” wie die alte Linde an der Weggabelung, die Sandkippe in der Nähe des Ortes, die im Winter als Rodelberg benutzt wird oder der Badeteich im Wald. Diese Orte sind Schauplätze persönlicher Erinnerungen, Teil von Familien- und damit Orts- und Regionalgeschichte.

Die Abbaggerung von Ortschaften ist Heimatverlust in seiner extremsten Form. Sie ist absoluter als z.B. die kriegsbedingte Vertreibung oder der arbeitsbedingte Wegzug, weil der persönliche Bezugspunkt an sich – also der Heimatort – unwiederbringlich und vollständig vernichtet wird. Eine etwaige Rückkehr zu den eigenen Wurzeln wird für immer verunmöglicht. Eine planmäßig angelegte Ersatzsiedlung kann diesen Verlust nicht kompensieren, siehe z.B. Neu-Horno oder Neu-Haidemühl bei Spremberg. Eine emotionale Bindung ist in diesen künstlich geschaffenen Orten nicht mehr möglich. Mit dem Verlust der emotionalen Bindung an den Heimatort verschwindet aber auch das Heimatgefühl und ein Großteil der Identität, die für den Sprach- und Kulturerhalt so wesentlich ist.

Auch für die nicht direkt betroffenen, aber in unmittelbarer Tagebaunähe gelegenen Orte bedeutet die Erweiterung des Tagebaus Nochten zum Einen den Verlust eines großen Teils der persönlichen Umgebung und zum Anderen eine Staub-, Lärm- und Verkehrsbelastung über mehrere Jahrzehnte.

Die Erweiterung des Tagebaus Nochten ist auch aus energiepolitischer Sicht nicht zu vertreten. Der Tagebau Reichwalde und das bisher in Anspruch genommene Abbaugebiet Nochten reichen für einen planmäßigen Weiterbetrieb des Kraftwerkes Boxberg aus, und zwar bis in eine Zeit, in der die großzügige Verstromung von Braunkohle im Zusammenhang mit der Energiewende nicht mehr notwendig sein wird. Es ist nicht akzeptabel, dass Vattenfall in Schweden Energie zu mehr als der Hälfte aus umwelt- und sozialverträglichen alternativen Energiequellen bezieht, andererseits aber in der Lausitz ohne Rücksicht auf Verluste großflächig devastiert.

Der Braunkohleabbau hat schon jetzt aus großen Teilen der deutsch-sorbisch bewohnten Mittellausitzer Heide eine unbewohnte, landschaftlich wertlose Mondlandschaft gemacht. Die Behauptung der “Rekultivierung” und “Renaturierung” ist, wie wir bereits jetzt in den ehemaligen Tagebaugebieten sehen können, eine Illusion. Große Teile der “renaturierten” Landschaft dürfen aufgrund der unsicheren Geländesituation voraussichtlich jahrzehntelang nicht wieder genutzt werden. Für eine weitere Vergrößerung des “Lausitzer Seenlandes” fehlt es schlicht an Wasserressourcen, die Spree, Schöps und Neiße nicht bieten können. An eine Wiederbesiedlung wird aus all diesen Gründen noch nicht einmal gedacht. Zurück bleibt leeres, nutzloses Land.

Auch im Hinblick auf die Belastungsgerechtigkeit ist es nicht vertretbar, für den Energiebedarf der weit entfernten Großstädte und Industriegebiete großflächig Lausitzer Kulturlandschaft zu vernichten. Die sorbischen und deutschen Einwohner der mittleren Lausitz haben im letzten Jahrhundert genügend Opfer für den Energiehunger verschiedener deutscher Staaten gebracht. Eine Beibehaltung dieser Praxis ist nicht mehr zeitgemäß und inakzeptabel.

Mit freundlichen Grüßen,
Julian Nitzsche

Blick über den Tagebau Nochten zum Kraftwerk Boxberg (Julian Nitzsche; CC-BY-SA 3.0)